Heute möchte ich ein Buch vorstellen, dass zwar schon fünf Jahre alt ist, aber noch nichts von seiner Anziehungskraft eingebüßt hat: „Die Bombe is‘ eh im Koffer“ von Achim Lucchesi, erschien 2011 und sorgte damals für hitzige Diskussionen.
Er beschreibt darin seine Tätigkeit am Frankfurter Flughafen als privater Sicherheitsmitarbeiter und in insgesamt 44 Kapiteln auf 316 erzählt er was ihm passiert ist. Traurige Geschichte, lustige Geschichten, unglaubliche Geschichten, aber jeder, der schon mal in der privaten Sicherheit gearbeitet hat weiß, dass die eine oder andere unglaubliche Geschichte vielleicht doch nicht ganz so unglaublich ist, wie sie auf den ersten Blick scheint.
Zum Beispiel auf Seite 260, im Kapitel „rote Krawatte“ geht es um das Thema Einsatzleiter. Er schreibt „der Einsatzleiter am Frankfurter Flughafen ist derjenige, der mehr Kontrollstellen beaufsichtigt. Man erkennt ihn im Prinzip an seiner roten Krawatte. Viel schwieriger ist zu erkennen, ob es sich um einen guten Einsatzleiter handelt. Das wichtigste Kriterium vorneweg: er ist anständig angezogen. Das erstaunliche ist, das ist gar nicht so selbstverständlich wie man denkt. Man möchte meinen, dass man automatisch ordentlich angezogen ist wenn die Firma die Kleidung stellt.“ „ Das Problem ist, hingehen [zur Kleiderstelle] muss man schon selbst, es trägt einen keiner. Weshalb ich immer wieder Einsatzleitern begegnet bin, die seit Wochen dieselben fleckigen Hosen angehabt haben. Oder Hosen trugen, die so durchgesessen waren, dass man die Unterhose durchschimmern sehen konnte. Nicht weil die Kleiderstelle die Hosen so ausgegeben hätte, die wären dort sofort weggeschmissen worden. Nein, der Träger der Hose hatte einfach seit Jahren die Kleiderstelle nicht mehr gesehen. Da hilft die rote Krawatte natürlich wenig. Zumal man bei einem Blick auf die Krawatte sofort feststellen kann, dass der Träger überhaupt nicht weiß wie man die Krawatte bindet, weil sie durch die ganze Knoterei und die zwölf vergeblichen Anläufe inzwischen aussieht wie ein benutztes Tempotaschentuch.“
Eine andere Episode befasst sich mit dem Thema 100 Milliliter. Bekanntlich ist es seit Jahren der Fall, dass man in Flugzeuge nur Flüssigkeiten bis 100 Milliliter mitnehmen darf, um zu vermeiden, dass Sprengstoff ins Flugzeug geschmuggelt wird. Im entsprechenden Kapitel erläutert Lucchesi, dass das niemand den Leuten gesagt hat und die dann in den Duty-Free Shops teilweise Whiskyflaschen im Wert von bis zu 1000 € gekauft haben, die sie dann fünf Minuten später, vor dem Einstieg, abgeben mussten. Natürlich ohne, dass sie etwas dafür zurückbekommen hätten, was völlig berechtigt auch zu erheblichen Problemen mit dem Passagieren führte. Dann wird beschrieben, was mit diesen konfiszierte Spirituosen passiert, damit wurde dann ein reger Handel getrieben. Auch eine recht lustige Anekdote.
Für Gesprächsstoff führte auch, dass das Buch an vielen Stellen nicht politisch korrekt ist, weil Lucchesi ohne Tabus Missstände anspricht, die gerne unter den Teppich gekehrt werden. So schreibt er auf Seite 281, im Kapitel „Beten und Transportieren“: „Wer die deutsche Luftsicherheit überlisten will muss es ganz einfach machen: religiös. Die deutsche Luftsicherheit verletzt keine religiösen Gefühle und ich weiß nicht genau warum. Vielleicht liegt es an unserer speziellen Vergangenheit in der wir eine bestimmte Religion gleich mal zur „Rasse“ erklärt haben. Da kann man schon mal die Lehren daraus ziehen, dass man künftig etwas freundlicher zu dem Menschen sein könnte. Oder das die Zugehörigkeit zu einer anderen Religion kein Grund ist, jemand anderen umzubringen. Andererseits ist es aber auch lange kein Grund, in Sicherheitsfragen überhaupt nichts mehr zu machen. Turbane werden bei uns praktisch nicht untersucht. Im Handbuch steht eigens drin „Fluggäste, die aus religiösen Gründen ihren Turban im Rahmen der Personenkontrolle nicht abnehmen möchten, müssen diesen nur dann absetzen, wenn beim Durchschreiten der Torsonde ein Alarm ertönt.“ Was in der Praxis bedeutet, wenn jemand einen Turban auf dem Kopf hat, wir so gut wie nie reingeschaut. […] Auch hier kommt die Handsonde an ihre Grenzen, ebenso die Torsonde. Am Anfang hatte ich mal einen Kunden, der sich weigerte seinen Turban abzunehmen. „This is my religion“, hat er gesagt und mich mit einem so tödlichen Blick angesehen, dass für einen kurzen Moment meine eigenen Gefühle ein bisschen verletzt waren. „And securty is my religion.“, habe ich gesagt und wollte schon drauf pfeifen, aber da hat mich gleich der Einsatzleiter zurück gepfiffen. An diesem Tag habe ich begonnen, an manchen Aspekten meines Berufs zu zweifeln. Ich erinnere mich deutlich an eine bodenlang verschleierte Frau im Mantel, deren Mann völlig durchdrehte weil meine Kollegin sie bat, ihren Mantel abzunehmen. Es sei seine Religion, zeterte er, seine Frau dürfe den Mantel keinesfalls ausziehen. Ich nehme mal an, Gott hätte sie dann sofort mit dem Blitz erschlagen – oder ihn, was mich in dem Moment gar nicht so gestört hätte.“
Das absolute Highlight in dem Buch sind aber die Erlebnisse die er mit Boris Becker hatte. Diese werden in vier Kapiteln in einer Art Running-Gag dargestellt. SO beschreibt er zum Beispiel auf Seite 42 seine erste Begegnung mit ihm. „Becker schlenderte auf uns zu und knallte sein Handgepäck auf den Nachschautisch. „Guten Morgen Herr Becker.“
– „ja, is schon in Ordnung“.
„Drehen Sie sich mal kurz zu mir.“
-„Wieso denn das? Ich will doch nur in die Lounge.“ Bei der Lounge handelt es sich um die Senator Lounge für betuchte Viel-Flieger. Sie liegt ebenfalls hinter Gate B. „Dann wissen Sie ja, dass ich sie vorher noch kontrollieren muss.“
–„Ich bin doch schon kontrolliert worden. Wissen Sie eigentlich wie anstrengend so ein Transatlantik-Flug ist?“
„Sie haben Recht, entschuldigen Sie, Herr Becker. Das hatte ich ganz vergessen. Transatlantik-Flüge sind nun wirklich außerordentlich anstrengend. Ist es Ihnen recht wenn ich Ihnen die Tasche abnehme? Oder soll ich Sie gleich in die Lounge tragen?“, sollte man vielleicht sagen. Aber da man höflich ist, sagt man stattdessen: „Natürlich Herr Becker, das ist anstrengend. Aber sehen Sie, was soll ich machen? Ich habe meine Vorschriften.“
-„Ich war in Florida.“
„In Florida? Warum sagen Sie das denn nicht gleich, das ändert natürlich alles.“, sagt man selbstverständlich auch nicht. „Bitte Herr Becker, es geht auch ganz schnell. Nur kurz die Amre ausbreiten. Sehr schön.“
-„Jedes Mal der selbe Schwachsinn.“ “
In vier Kapiteln wird schön dargestellt, wie manche Prominente meinen, sie seien etwas Besonderes und müssten ihre Launen an den Sicherheitsmitarbeitern auslassen. (7:08)
Im Schluss des Buches beschreibt Lucchesi noch, warum er nach einer gewissen Zeit wieder entlassen wurde. Es fließen Fördergelder für eine gewisse Sicherheitsschule, danach Gelder für eine gewisse Sicherheitsfirma und dieser Fluss bleibt nur dann am Laufen, wenn immer wieder neue Arbeitslose eingestellt werden und die bisher Beschäftigten gekündigt werden. Der Steuerzahler macht es möglich.
Alles in allem ein geniales Buch, dass man gelesen haben sollte, insbesondere wenn man selbst in der Sicherheitsbranche arbeitet. Das Buch ist im Heyne Verlag erschienen, kostet 8,99€ und ist auf der Homepage in den Shownotes verlinkt.
Neugierig? Dann kannst Du das Buch gleich hier bestellen: Lucchesi – Die Bombe is´ eh im Koffer
Sehr schöner Buchtipp! Gekauft, gelesen und begeistert.
Beste Grüße